Die Kölnerin Hannah Kuhlmann liebt das Schweißen. In ihrem Atelier verschmelzt sie Edelstahl zu besonderen Kunstwerken und Designstücken.

Verschmelzen statt Verschrauben
Selbermachen: Das ist die große Leidenschaft von Hannah Kuhlmann. Die Bank, auf der sie in ihrer Studiowohnung sitzt, ist selbst gezimmert, der Fußboden selbst verlegt, der Tisch selbst geschweißt. Vor allem für das Schweißen hat die Kölner Designerin und Künstlerin ein Faible. Das entdeckte sie einst beim Studium im niederländischen Maastricht. Heute fertigt sie ausgefallene Möbel, Brunnen und Leuchten.
Fast alles ist dabei aus Metall, meistens aus Edelstahl. Denn Stahl ist für sie ein wunderbarer Werkstoff. Er sei so viel haltbarer, formbarer und vielseitiger als Holz. Werkstücke nicht nur zu verleimen oder zu verschrauben, sondern buchstäblich zu verschmelzen – das, so Kuhlmann, begeistere sie noch nach Jahren.

Koordination und Fingerspitzengefühl
Was Hannah Kuhlmann für ihre Arbeit braucht, liegt in ihrer Kellerwerkstatt auf einem massiven Schweißtisch: Ringbiegemaschine, Trennschleifer, eine „Flex“, dazu diverse Schrupp-, Schleif- und Trennscheiben. Und natürlich das Schweißgerät, mit dem sie zum Beispiel die Rohrstücke für ihre beliebte, aus einem gebogenen Edelstahlrohr gefertigte Wandleuchte „Daisy“ zusammenfügt – erst mit Schweißpunkten, dann rundherum. Längsschnitte mit dem Trennschleifer formen die später gebogenen „Blütenblätter“ rund um die Lampenfassung.
Das Verfahren, das Hannah Kuhlmann fast ausschließlich einsetzt, ist das Wolfram-Inertgas-Schweißen (WIG). Es gilt als langsamer und etwas herausfordernder als das herkömmliche Schutzgasschweißen. Das Zusatzmaterial wird als Stab von Hand zugeführt, was zusätzliche Koordination und eine Extraportion Fingerspitzengefühl erfordert. Dafür lassen sich so besonders hochwertige Nähte herstellen.

Perfektion ist nicht gefragt
Alles ist Handarbeit, jedes Stück ein Unikat – wie etwa der Zimmerbrunnen „Bob’s Blank“ oder „Ursulas Diptych“, ein Schrein zu Ehren der heiligen Ursula von Köln. Klassisches Produktdesign bedeutet hierzulande meist, den Prototyp zu entwerfen und das Produkt dann industriell in größerer Stückzahl fertigen zu lassen. Das aber ist nicht ihr Ding, Perfektion genauso wenig. Man könne, sagt Hannah Kuhlmann, ruhig sehen, dass jedes Stück von einem Menschen gemacht ist.
Ihre Werke verkaufen sich nicht nur in Deutschland, sondern auch in Galerien in Antwerpen, Marseille und Los Angeles. Kuhlmann nimmt Auftragsarbeiten an und bringt kleinere Stücke über ihre Website an die Frau und den Mann. In Form einer Vase gibt es einen „echten Kuhlmann“ ab rund 50 Euro. In den Galerien wechseln große Stücke allerdings auch mal für mehrere Tausend Euro den Besitzer. Außerdem kuratiert und organisiert die Design-Schweißerin Gruppenausstellungen und Kollaborationen mit anderen Künstlerinnen.

Inspirierende Materialien
Eine große Inspirationsquelle für Hannah Kuhlmann sind die Materialien selbst. Randsteine, Gasbeton, Rohre und Verbindungsstücke – viele Ideen kommen ihr, wenn sie eigentlich alltägliche Bauteile in der Hand hält. Anregungen findet sie dabei auch im BAUHAUS Fachcentrum Köln-Kalk. An einer Leuchte in ihrer Küche wird das deutlich: der Randstein aus der Gartenabteilung, die Edelstahlrohre eigentlich für den Geländerbau, die Schlauchschelle aus Sanitär, Kabel, Schalter und Lampenfassung aus der Elektroabteilung.
Seit ein paar Jahren finanziert sich Hannah Kuhlmann allein durch ihre Kunst. Berührungsängste gegenüber der Hobbyszene gibt es dabei aber nicht. Sie hat sogar ein Gartenmöbelset für Heimwerker entworfen, das mit einfachen Werkzeugen und für Anfänger nachzubauen ist. Statt Edelstahlrohr kommt warmgewalzter Vierkantstahl zum Einsatz, was das winklige Arbeiten viel leichter macht. Für den nötigen Rostschutz sorgt ein knalliges Rot.
Tipp: Wie man den Stuhl einfach selbst bauen bzw. schweißen kann, erklärt Hannah Kuhlmann hier.

Schweißkurs zur Sicherheit
Wer das Schweißen ausprobieren will, sollte einen Schweißkurs für Anfänger besuchen – sie finden in jeder größeren Stadt statt. Grundsätzlich gilt: Handschuhe und langärmlige feuerfeste Kleidung sind ein Muss, ebenso Schweißhelm und Schweißtisch. Wer drinnen schweißt, sollte außerdem eine Maske mit Frischluftsystem tragen.
Hannah Kuhlmann macht Einsteigern Mut: Metall sei viel leichter zu verarbeiten und verzeiht vielmehr, als die meisten glauben. Ein falsch platziertes Bohrloch oder ein missglückter Schnitt lassen sich einfach zuschweißen. Wulstige Schweißnähte werden mit dem Winkelschleifer ausgebessert und anschließend poliert. Auch das ein Grund, warum Hannah Kuhlmann so eine leidenschaftliche Schweißerin ist.

Was passiert beim Schweißen?
Das unlösbare Verschmelzen von Bauteilen – das ist Schweißen. Dazu braucht es Temperaturen von mehreren Tausend Grad. Beim sogenannten Lichtbogenschweißen, zu dem die gängigsten Handschweißverfahren gehören, entsteht die nötige Hitze elektrisch. Dazu wird ein Lichtbogen, eine Art steter Blitz, zwischen der Elektrode und dem geerdeten Werkstück erzeugt. So entstehen Temperaturen zwischen 3700 und 13.700 Grad Celsius, die den zugefügten Zusatzwerkstoff und das Werkstück an der betreffenden Stelle kurzzeitig verflüssigen. Beim Erkalten bildet sich dann die feste Verbindung.
Der Zusatzwerkstoff wird als Draht oder direkt in Form einer abschmelzenden Elektrode hinzugefügt. Er besteht aus einer Legierung ähnlich der des Bauteils und füllt so den Spalt zwischen den Bauteilen. Je nach Schweißverfahren kommen zudem verschiedene Schutzgase zum Einsatz. Immer füllen sie den Raum rund um Elektrode und die Schweißstelle, das sogenannte Schweißbad, und verdrängen dort Luft und Schmutz. Erst unter dieser speziellen Atmosphäre kommt es zum gewünschten Lichtbogen und zu einer sauberen Schweißnaht.