Ein Flügel von „Steinway & Sons“ gehört zu den edelsten Instrumenten der Welt. Gebaut werden sie neben New York auch in Hamburg. Seit 1880 schaffen hier exzellente Handwerker aus feinsten Hölzern Klaviere der Extraklasse. Was ist das Erfolgsgeheimnis der legendären Manufaktur?
"Ein Steinway ist ein unglaublich majestätisches Produkt mit einem unnachahmlichen Klang."
- Guido Zimmermann, Präsident Steinway & Sons Europe"
Pionier des modernen Klavierbaus
Eine große Freiluft-Lagerhalle in Hamburg-Bahrenfeld. Holzplatten stapeln sich bis unter die Decke. Ein Mann prüft mit einem Gerät die Holzfeuchtigkeit. 56 Prozent. Noch ist es zu früh, um es zu verarbeiten. Dafür braucht es eine maximale Restfeuchtigkeit von sieben bis neun Prozent. Immerhin soll es für eines der berühmtesten Instrumente der Welt verwendet werden: einen Flügel von Steinway.
„Steinway & Sons“ ist eine Legende der traditionellen Handwerkskunst, Pionier des modernen Klavierbaus, der Rolls-Royce unter den Klavieren, der ultimative Hingucker in jedem Musikzimmer. „Ein Steinway ist ein unglaublich majestätisches Produkt, das sich neben seiner Optik vor allem durch die Brillanz seines unnachahmlichen Klanges auszeichnet“, sagt Guido Zimmermann. Er ist der Präsident von Steinway & Sons in Hamburg, wo die eleganten Musikinstrumente – neben der Produktionsstätte in New York – gefertigt werden.
Ein Unikat aus 12.000 Einzelteilen
Die Geschichte dieses Wunderwerks beginnt Mitte des 19. Jahrhunderts. 1850 wandert der aus dem Harz stammende Klavierbauer Heinrich Engelhard Steinweg nach New York aus. Dort nennt er sich bald Henry E. Steinway und gründet 1853 sein erstes Geschäft. Nach seinem Tod 1871 beschließt die Familie, auch in Europa zu produzieren. Die Wahl fällt auf Hamburg. 1880 startet die Manufaktur mit ihrer Arbeit – und beliefert heute, abgesehen vom amerikanischen Markt, die ganze Welt.
Jeder Steinway-Flügel ist ein Unikat. Er besteht aus 12.000 Einzelteilen. Die Herstellung dauert bis zu einem Jahr. Allein das Trocknen des Holzes vor der Verarbeitung nimmt zwei Jahre in Anspruch. Für den unverwechselbaren Klang eines Steinways sorgen die feinsten Hölzer, ob aus Deutschland, Afrika oder Nordamerika, von Fichte über Ahorn und Mahagoni bis zu Kiefer und Rotbuche.
Der Rim: Ein Schwung aus 20 Holzlagen
Nach der Trocknung im Freiluftlager wird das Holz zusätzlich für drei Wochen in eine Trockenkammer gelegt. Dadurch wird es stabiler und ist besser zu verarbeiten. „Wir überwachen und regulieren auch während der Verarbeitung ständig die Luftfeuchtigkeit und die klimatischen Verhältnisse“, erklärt Zimmermann.
Es ist ein Werk der Akribie. Schicht für Schicht tragen die Mitarbeiter immer wieder Leim auf verschiedene Holzlagen auf. Diese werden dann gespannt und in Form gepresst, um sie schließlich drei Stunden ruhen zu lassen. So entsteht das ikonisch geschwungene Gehäuse, der Rim. Nach einem Patent von 1878 werden auf einem speziell entwickelten Biegebock bis zu 20 Holzlagen aus Ahorn und Mahagoni zu einem einzigen Stück.
Der günstigste Steinway kostet 88.950 Euro
Das Herzstück eines jeden Steinway-Flügels ist der Resonanzboden. Hier entsteht der volle und kräftige Klang, der durch die Saiten ausgelöst wird. „Der Resonanzboden muss schwingen. Das Holz braucht also eine besondere Biegefähigkeit und eine geringe Masse sowie eng liegende Jahresringe, um eine höhere Schallleitfähigkeit zu gewährleisten“, sagt Zimmermann. Dafür kommt nur ein ganz bestimmtes Holz infrage: die Sitkafichte aus Nordamerika.
Hunderte Arbeitsstunden stecken in einem Steinway. Der größte Teil wird dabei immer noch von Hand gemacht. Sieben verschiedene Flügel und ein Klavier hat das Unternehmen im Sortiment. Der günstigste Flügel kostet 88.950 Euro. Auch in Sachen Innovation hat Steinway nie locker gelassen: In 169 Jahren wurden mehr als 140 Patente angemeldet.
Intensive Ausbildung für Klavierbauer
Rund 500 Angestellte arbeiten in der Hamburger Zentrale. Der Bedarf an exzellenten Klavierbauern ist groß. Deshalb bildet Steinway auch selbst aus: Nach dreieinhalb Jahren spezialisieren sich die Lehrlinge entweder auf die Tischlerei oder den klanglich-tonlichen Bereich und werden dann weitere zwei bis fünf Jahre in ihrer jeweiligen handwerklichen Nische am Instrument geschult.
Ullrich Berg (61) ist seit mehr als 30 Jahren mit an Bord und mittlerweile Meistervertreter der Furniererei. „Es ist toll, bei einem so renommierten Unternehmen beschäftigt zu sein, zu sehen, dass nahezu alle Menschen diese Marke kennen und sofort etwas damit verbinden“, sagt er.
Riegelahorn und Makassar-Ebenholz
So geht es vielen seiner Kolleginnen und Kollegen. 40-jährige Betriebsjubiläen sind bei Steinway keine Seltenheit. Und auch die eigenen Kinder rücken nach. Sein Sohn Colin Berg ist einer von ihnen und seit 2013 dabei. „Ich bin schon als kleiner Junge mit meinem Vater durch die Fabrik gelaufen“, erzählt der 38-Jährige. Heute arbeitet er selbst in der Furniererei.
„Die Furnierabteilung“, so Colin Berg, „ist ein spezieller Bereich in unserer Manufaktur. Hier entstehen noch kostbarere Flügel als unsere schwarzen Klassiker es ohnehin schon sind.“ Dabei hantiert er mit sehr außergewöhnlichen Hölzern wie Riegelahorn, Ziricote oder Makassar-Ebenholz.
Steinway setzt auf Nachhaltigkeit
Für die höchste Qualität werden nur 40 Prozent des georderten Holzes verarbeitet. Um die Reste weiter zu nutzen, betreibt Steinway in Hamburg ein eigenes Blockheizkraftwerk. Nachhaltigkeit liege in der Firmen-DNA, so Präsident Zimmermann. „Von Anfang an setzen wir die Hölzer ressourcenschonend ein, sorgen dafür, dass nachgeforstet wird, und verwenden nur zertifiziertes Holz.“
Und das Engagement für den Umweltschutz geht weiter: So wird die Fahrzeugflotte etwa auf E-Mobilität umgestellt und ein neues Lackierhaus gebaut, das dank modernster Technik die Emissionen um 90 Prozent reduziert.
Schon über 600.000 Flügel und Klaviere gebaut
Zimmermann schätzt, dass von insgesamt 618.000 im Laufe der Firmengeschichte hergestellten Flügeln und Klavieren noch 450.000 existieren. Die Lebensdauer eines Instrumentes überdauert also bei Weitem die Zeit, die ein Baum zum Nachwachsen braucht.
Ein Steinway: Symbol für edle Handwerkskunst, für Konstanz und Langlebigkeit. Ein Wert, über Generationen geschaffen. Furniermeister Ullrich Berg steht stolz neben seinem Sohn am Werktisch. Er liebt, wie jeder hier, das Instrument. Und spürt es mit all seinen Sinnen: „Wenn wir im Radio Klaviermusik hören, erkenne ich sofort, ob es sich um einen Steinway handelt.“